Preview< Zurück 01.06.2009

Das süße rohe Öl

Von Nick Gruber

Im Niger-Delta fließen Milliarden US$ an Öl direkt unter den Füßen von verzweifelten Menschen, denen schon seit 50 Jahren ein besseres Leben versprochen wird. Eine Dokumentation von Sandy Cioffi.

1 Million Barrel Erdöl werden in Nigeria jeden Tag gefördert. Von wem? Vorwiegend von Royal Dutch Shell (UK) und dem kalifornischen Konzern Chevron. Freilich alles in Zusammenarbeit mit der äusserst geschäftstüchtigen Regierung Nigerias. Die Bevölkerung hat eine durchschnittliche Lebenserwartung von 51 Jahren - im ölreichen Süden, dem Niger-Delta,  sind es 7 Jahre weniger. Seit 1976 wurden dort 6000 Fälle von Öl-Verpestung aufgezeichnet. Davon wurde knapp ein Viertel wieder "behoben".

Seit 50 Jahren wird das Leben der Menschen im Niger Delta von geologischen Ergebnissen bei der Suche nach Öl bestimmt. Die beiden Ölkonzerne beschäftigen Hunderte von Mitarbeitern, die vor den Augen der Einheimischen für Lokalisierung, Förderung und Abtransport des schwarzen Golds verantwortlich sind. Die Chevron Website ("Human Energy") entwarnt - die meisten der Mitarbeiter seien selbst Nigerianer. Diese verdienen hoffentlich mehr als jene 70% der Bevölkerung, die von weniger als einem Dollar pro Tag leben.

Das Doku-Team rund um Sandy Cioffi  schneidet mit Sweet Crude diesen Sommer einen also Themenkuchen an, der seit 50 Jahren auf dem Tisch steht, inzwischen zu einem köchelnden Biotop verrotet ist und nun langsam beginnt, seine Flucht zu planen. Seit dem 15. Mai 2009 wird das Niger Delta erneut in regelmäßigen Abständen von Luft- und Bodentruppen des nigerianischen Militärs angegriffen. 30.000 Menschen sind inzwischen in die in die angrenzenden Waldgebiete geflüchtet. Warum der Angriff? Laut Africa- Live.de wurde am Sonntag (24.05.2009) von MEND-Rebellen ein Anschlag auf eine Öl-Pipeline im Niger-Delta verübt, der für heftige Produktionsausfälle beim US-Energiekonzern Chevron gesorgt hat. Dadurch seien rund 100.000 Barrel Öl pro Tag blockiert, teilte der Konzern mit. Die militante Rebellengruppe MEND wird gerade mit tatkräftiger Unterstützung der internationalen Medien in eine Terrororganisation umgewidmet. Der Film könnte insofern also nicht rechtzeitiger erscheinen. Und die Crew ist dafür auch ein ordentliches Risiko eingegangen. Aber wer jetzt an Interviews mit blutrünstigen Terrorführern denkt liegt hier daneben.

Die Regierung der ehemaligen britischen Kronkolonie Nigeria hat offensichtlich eine grenzobsessive Beziehung zu Journalisten - sie scheint die Schreiber und Filmer so sehr zu lieben, dass sie diese gerne in eines der Staatshotels einlädt um dort unbestimmte Zeit mit einsamen Beamten an Schreibtischen zu verbringen. Manchmal müssen die Journalisten auch eine längere Weile im Wartezimmer sitzen - leider liegen dort keine Illustrierten herum (lesen wäre vermutlich auch ungesund bei armseliger Beleuchtung). Die Bilanz für die Crew? 7 Tage  Verhör, Verlust des Videomaterials für das letzte Kapitel im Film. Mehrere zehntausend Dollar Strafkosten - die Regierung lässt offenbar keine Geldquelle unangetastet. 

Aber für die Filmemacher wurde es fortan persönlich - nach eigenen Angaben kamen sie entschlossener aus der Sache raus, als sie reingingen. Und das Ergebnis dürfen wir im Sommer erwarten... heiß, fettig und genießbar.